Schraube locker ?

Guckt ab und zu jemand im WDR Fernsehen die „Hobbythek“ mit Jean Pütz? Ja? Dann düfte auch der Lieblingssatz des Moderators bekannt sein, der da lautet: „Dat könn wer prima selber basteln, un wie dat jeht zeig isch Ihnen heute!“

Ungünstigerweise müssen die Sendung auch schon der ein oder andere Motorradfahrer gesehen haben, und auf den gleichen Gedanken gekommen sein. Die sogenannten Schrauber. Kann man einen Schrauber mit einem Wort beschreiben? Man kann:

Schlimm!

Der S. ist das Fleisch gewordene Grauen. Er ist der festen Überzeugung, alles, aber auch wirklich alles selber machen zu können. Seiner Meinung nach ist die ehrliche Werkstatt, die von einem Zweirad- oder KFZ-Mechanikermeister geführt wird, immer zu teuer und hat keine Ahnung. Daß der Meister um seinen Titel führen zu dürfen, eine Prüfung ablegen musste, die schwerer wie eine Doktor-Diplomarbeit ist, ist dem S. nicht klar. Der S. selber hat oft nichts aus dem Sektor technische oder mechanische Berufe gelernt, weiß aber trotzdem alles. Meistens sogar besser.

Er taucht gelegentlich mit einem verschlissenen Motor- oder Getriebeteil am Teiletresen auf und verlangt „Hierfür brauch ich ne Dichtung!“ Wenn der Teilemann dann nach einer schier endlosen Diskussion das Teil auf einem Microfiche aus den frühen Sechzigern gefunden hat, ist dem S. das Ding nur 50 Cent wert und nicht die verlangten 13,73 € plus Märchensteuer. Meistens hat man da auch schon keinen Bock mehr zu erklären, WARUM das Ding so teuer ist. Nämlich aufgrund der Tatsache, dass für Fahrzeuge aus den mittleren Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts die Ersatzteile in Kleinserien nachgefertigt werden, was natürlich entsprechend höhere Preise ergibt.

Gern genommen auch der S., der erst sein ganzes Fahrzeug zerlegt, dann aber nicht mehr weiß, welche Schraube wohin gehört, bei uns in der Werkstatt aufschlägt und Zeit und Nerven klaut. Wir haben schon mal daran gedacht, eine 0190-Beratungs-Hotline mit nem Preis von 25 DM/Minute einzurichten und als rotes Telefon ins Meisterbüro zu schalten. Mehr Kohle wäre wohl kaum zu machen. Irgendwann wird der S. dann aus der Halle rauskomplementiert nicht ohne ihn darauf hinzuweisen, dass jede weitere Beratung ab jetzt zum ortsüblichen Werkstattsatz berechnet wird und er ja auf Wunsch seine Teilesammlung vorbeibringen könnte.

Einige S. sind irgendwann von dem nicht-wieder-zusammenbauen-können so verzweifelt, dass sie den ganzen Vogel entweder gleich in den Schrott werfen oder dann ziemlich kleinlaut zum Händler fahren, mit der Bitte: „Ich hab da draussen aufm Anhänger son Motorrad mit ein paar Problemen, kriegt ihr das hin?!“ Was uns dann unter die Augen kommt, ist ein versifftes, veröltes und völlig verbasteltes 5000-Teile-Puzzle, zu dessen Fertigstellung wir „ja wohl nur ne Stunde brauchen“, denn „Ihr kennt euch ja mit sowas aus!“. Dass von abgerissenen Stehbolzen bis zu aufgeflexten Schrauben alles vertreten ist, versteht sich von selbst, denn das Fahrzeug ist ja auch schon vor der Totaldemolierung nie einer Wartung oder ähnlichem unterzogen worden. Von allen möglichen fehlenden Teilen ganz zu schweigen. Gern erzählen wir von dem hier angelieferten Moped, dessen Kabelbaum schon so oft geflickt wurde, dass es sich mehr um eine Anreihung von Lüsterklemmen und Lötstellen handelte. Sitzbänke, die mit Gaffa-Tape mehr recht als schlecht geflickt wurden und die inzwischen durch das aufgesogene Wasser in den Verschimmelungs-Prozess eintreten, regen uns schon gar nicht mehr auf. Man stumpft halt irgendwie ab...

Auch immer wieder für eine Überraschung gut sind Motorräder, die in Eigeninitiative ihr Fahrzeug neu lackiert haben. Mal abgesehen davon, dass eine Suzuki GSX-R in schlumpfblau durchaus Rückschlüsse auf den Charakter (und die Auslieferung aus dem LKH!) zulässt, ist es natürlich unmöglich, sowas mal eben anlackieren zu lassen. Genauso schauts natürlich mit dazu passenden Dekoren aus.

Der Preis für eine Komplettmontage eines solchen 300-Teile-Puzzles übersteigt den Restwert des Fahrzeuges um das ca. dreifache. Bei der Abholung verhandelt der Schrauber natürlich nochmal rum und betont, das er die ganze Montage eigentlich auch alleine gekonnt hätte. Um einer weiteren zweistündigen Herumfeilscherei zu entgehen, reduziert man kurzerhalb den Preis um 100 oder 200 DM (je nachdem was man vorher wohlweislich dem was da kommen musste aufgeschlagen hatte!).

Die Kiste läuft dann erfahrungsgemäß noch ca. 4 Wochen, bis sie endgültig den Geist aufgibt, weil der S. es nicht lassen konnte, doch wieder irgendwas daran herumzufrickeln.

Da es ihm dann oft zu unangenehm wäre, wieder bei uns aufzuschlagen und den Haufen fertigmachen zu lassen, kommt er nur so vorbei und nimmt irgendwas aus der Bastlerecke mit. Wir wissen schon heute, dass er genau mit dem Fahrzeug in spätenstens 6 Monaten, wenns auch wieder verbastelt oder zerlegt wurde zurückkommt. A nerverending story!

  Eine ganz besondere Art von Schraubern sind die Kiddies (gern auch mal Blagen genannt), die den von Oma, Onkel oder Papa bezahlten Roller neben allem möglichen und unmöglichen Klimbim-Anbau auch noch mit diverser Elektronik versehen haben. Grade die offiziell als Mofaroller laufenden Fahrzeuge haben von den mit Geheimschalter betriebenen Zündeinheiten bis zur Malossi-Kupplung mit Renngewichten alles drin, was schlecht und teuer ist. Da die Kohle natürlich nur für die Teile aber nicht für die fachgerechte Montage reicht, trifft sich die „Jugend von heute“ dann irgendwo bei „nem Kumpel der ganz gut schrauben kann“ und montiert Komponenten zusammen, die teilweise unterschiedlicher nicht sein könnten; frei nach dem Motto: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie den Händler ihres Vertrauens oder melden Sie sich gleich auf der unfallchirurgischen Ambulanz der örtlichen Klinik!“ Dass der Kumpel der angeblich schrauben kann, nicht mal den Unterschied zwischen Rechts- und Linksgewinde kannt, spricht eigentlich schon Bände, aber gut.

Möglichkeit eins ist jetzt, dass der Roller gefahren wird, bis er mit ca. 10.000 nen soliden Kolbenklemmer hat, weil der 70ccm-Zylinder Polini-Zylinder mit dem reingebastelten Suzuki-Originalkolben doch nicht harmonierte, oder die Kiste läuft doch mit mehr oder weniger nicht so schwerwiegenden Problemen.

Die andere Fortsetzung ist die, daß dann irgendwann der Filius des Hauses vor der Tür des selbigen steht, gerne in Begleitung zweier freundlicher Herren in Uniform eines Polizeihauptmeisters und eines Polizeimeisteranwärters, die dann höflich aber bestimmt erklären, dass der junge Mann mit 66 Sachen in der Tempo-30-Zone fotografiert wurde. Was, wie sie betonen, um so schwerer wiegt, als dass das sichergestellte Fahrzeug mit nur 25 kmh eingetragen war.

Erfreulicherweise ist dann der Vater so klug und bringt das Teil zu uns, damit wir es wieder in den Serienzustand versetzen können. Oder wenigstens in einen seriennahen.

Aber das ist ja immerhin ein doch recht einträgliches Geschäft. Wir dürfen bei der Abholung nur nicht vergessen zu beteuern, dass der Roller kein kmh mehr als die erlaubten läuft. Aber der Kumpel vom Junior hat kurz vorher schon neue Tuningteile bestellt, und auch dass lässt wieder die Kasse klingeln.

Sollen wir der örtlichen Polizeibehörde mal nen Tip geben, wo die Kiddies ihre Rennen fahren? Nee, lieber nicht so übereifrig...

Harry